Trump und die Turbulenzen in der Weltpolitik

Aktualisierung: Oktober 2018

WeltTrends und die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg führen im ersten Haldbjahr 2017 gemeinsam eine neue Diskussionsreihe durch. Die Reihe wird in diesem Herbst fortgesetzt.

Auf der ersten Veranstaltung in Potsdam analysierte der außenpolitische Nach- und Vordenker Dr. Erhard Crome (Berlin) die zukünftige Außenpolitik unter Trump. Die von Prof. Raimund Krämer (Chefredakteur WeltTrends) moderierte Diskussion reichte weit über den Tellerrand des deutschen Mainstreams hinaus. Ein echter Gewinn für die Teilnehmer.

Erneuerung in einer Zeitenwende

Der 45. Präsident der USA tritt sein Amt in einer welthistorischen Zeitenwende an. Aus der Sicht des Referenten laufen derzeit drei zentrale Prozesse des letzten Jahrhunderts aus.

Erstens endet die europäisch-nordamerikanische „Welt des weißen Mannes“. Seine globale Vorherrschaft schwindet vor allem ökonomisch und damit auch politisch. Asien mit den neuen/alten Großmächten China und Indien im Verbund mit Regionalmächten wie Südkorea gewinnen an Einfluss.

Entwicklung Anteil Weltproduktion G5 BRICS 1970-2017
Seit Ende der 1960er Jahre stehen die führenden Industriestaaten für weniger als die Hälfte der Weltproduktion. Ihr Anteil sinkt stetig. Seit 2000 holen die BRICS-Staaten deutlich auf.

Gleichzeitig verändert sich auch die Demographie – global als auch nation. So wird bis Mitte des 21. Jahrhunderts in den USA die weiße Ethnie zur Minderheit. Aus dem Publikum ergänzte Prof. Claus Montag, dass Trump auch für den Abwehrkampf der weißen Ober-/ Mittelschichten gegen die farbigen Unterschichten steht. Die Republikaner konnten nur gewinnen, weil die Weißen fast geschlossen ihre Partei wählten.

Diese Entwicklung manifestiert sich seit den 1990er Jahren. Trumps versprochene Abschottung vor Migranten aus Latein- und Südamerika, dem Nahen Osten und Afrika verspricht den Erhalt des ethnischen Gefüges der USA. Eine Rückkehr zur strikten Einwanderungspolitik vor der Liberalisierung von 1986.

Bevölkerung nach Kontinenten 1750 - 2100


Zweitens endet die Dominanz der „Supermacht“ USA. Geostrategisch überdehnt sowie von inneren sozio-ökonomischen Problemen gekennzeichnet, können diese nicht mehr als globale Ordnungsmacht auftreten. Die gescheiterten Kriege im Nahen Osten und Zentralasien sind Ausdruck dieser Entwicklung. Damit steht aber auch das (erträumte) Ordnungssystem der „Pax-Americana“ vor dem Aus.

Crome verdeutlichte, dass Obama wahrscheinlich der letzte US-amerikanische Präsident war, der mit dem „Pivot-to-Asia“ versuchte, die globale Sonderstellung der USA zu erneuern. Der ihm folgende Trump denkt in anderen Kategorien. In den Worten des renomierten Geschichtswissenschaftlers Christopher Clarke: „Der Glaube, dass Amerika an der Spitze der historischen Entwicklung steht, der für jeden Präsidenten vor ihm wesentlich war, spielt für Trump gar keine Rolle mehr. Sein Amerika ist gescheitert, an die Chinesen verkauft. Er bietet nur den Rückschritt an – […] in ein schon mal da gewesenes Amerika.“ [Minkmar, Nils: Nichts ist erledigt; in Der Spiegel 46/2018; S. 134-136.]

Drittens endet die westlich-neoliberale Globalisierung. Angesichts von Wirtschaftskrisen und stagnierender bzw. sinkender Realeinkommen bis in die Mittelschicht wenden sich breite Bevölkerungsteile der Industriestaaten gegen das neoliberale Konzept „Globalisierung“. Gleichzeitig lehnen aufsteigende Mächte das jetzige, auf westliche Interessen zugeschnittene Weltwirtschaftssystem ab. Insbesondere China versucht mit dem Aufbau der Eisernen- bzw. Maritimen-Seidenstraße in Eurasien und einer inner-asiatischen Integration sowie der Öffnung der Volkswährung (Renminbi) als international konvertierbare Währung, Alternativen zu gestalten.

Gesucht: Balance zwischen Macht- und Wirtschaftspolitik

Angesichts dieser Zeitenwende müssen sich die US-amerikanischen Eliten neu positionieren. Zentrale Frage ist die Gewichtung von wirtschaftlicher Entwicklung zu diplomatisch-militärischer Machtprojektion. Beide Dimensionen korrelieren nur zum Teil. Bei Überbetonung einer Seite schwindet die andere. Ein neues „Gesamtpaket“ – eine neue Balance ist notwendig, so die Ergänzung von Prof. Montag. Weder die Demokraten noch die Republikaner haben dafür bisher ein vollständiges und vor allem akzeptiertes Konzept.

Seit Woodrew Wilson die Beteiligung am I. Weltkrieg durchsetzte, treten die Demokraten für ein Primat der hegemonialen Bestrebungen ein – im Zweifel auch gegen wirtschaftliche Interessen. Obama entsprach dieser Ausrichtung. Trotz der Wirtschaftskrise führte er nicht nur alle „geerbten“ Kriege fort, sondern schürte sogar weitere (Libyen, Syrien, Jemen, Ukraine). Die Niederlagen in allen(!) Konflikten absorbierten die Handlungsfähigkeit der US-Regierung, entzogen der Wirtschaft Milliarden und verschärften globale Wirtschaftskonflikte.

Dieser historische Widerspruch zwischen Demokraten und Republikaner ist wenig präsent. Bill Clinton als auch Bush jr. stellen Ausnahmen von dieser Linie dar. Unter dem demokratische Clinton („It is the economy, stupid!“) gaben die USA so wenig wie seit den 1970er Jahren nicht mehr für militärische Zwecke aus. Damals regierten erst Richard Nixon und dann Gerald Ford – beide Republikaner. Außer zum Ende seiner Amtszeit begann Bill Clinton keine neuen Kriege (Kosovo), begrenzte bestehenden Einsätze (Irak) und unternahm im Nahen Osten ernsthafte Versuche eines Friedensprozesses.

Das andere Extrem ist der Republikaner Bush. Unter Einfluss der Neocons begann der schwache Präsident die kostspieligsten und verlustreichsten Kriege seit dem Vietnam-Krieg. Eine weitere Ausnahme ist auch der demokratische Präsident Jimmy Carter (1977-1982). Der einzige US-Präsident im 20. Jahrhundert der keine (direkten) Kriege führte. In seine Zeit fällt auch der Beginn der START- und SALT-Verhandlung.

Militärausgaben der USA 1949 - 2016

Aus Sicht von Crome überdehnten sich die USA endgültig. Vom imperialen Einfluss profitierten (fast) nur noch die Oberschichten. Auf Grund der historisch niedrigen Steuersätze entzogenen sie sich die finanziellen Mittel. Die Unter- und Mittelschichten wandten sich von den Demokraten ab. Obama – so Crome – stellte sich einer wirklichen Neupositionierung nicht. Stattdessen versuchte er mit Minimalveränderungen eine Stabilisierung der herrschenden Politik. Hillary stand für „weiter so“.

Ihre außenpolitischen Versprechen fanden – zum Glück für Deutschland – keine Mehrheiten. Crome betonte, dass Clintons Plan, russische Kampfflugzeuge über Syrien abzuschießen, der Auftakt für einen Weltkrieg hätte sein können. Als Trump dies als Weg in den nuklearen Holocaust bezeichnete und sich für eine Einigung mit Russland aussprach, diffamierten ihn die Demokraten (und auch deutsche Medien) zum Putin-Versteher.

3.

Trump steht in der Tradition der Republikaner. Für diese muss sich weltweiter Einfluss in US-amerikanisches Wirtschaftswachstum überführen lassen – oder er ist sinnlos. Rüstungsausgaben sehen sie eher als Instrument zur Abschreckung und zum Druckaufbau. Historische Beispiele sind: Beendigung Korea-Krieg durch Eisenhower; Beendigung Vietnam-Krieg durch Nixon; Reagan setzte umfassende nukleare Begrenzungen bzw. Abrüstungen durch; Georg Bush sen. unterstützte die KSZE-Charta von Paris.

Als Beleg für die obige Haltung zitierte Crome ausführlich Trumps Antrittsrede. In dieser untersetzte Trump seinen Wahlkampf-Slogan „Amerika first“. Außenpolitische Kernbotschaft: „Wir werden uns bei den Nationen der Welt um Freundschaft und Wohlwollen bemühen, aber wir tun dies in dem Verständnis, dass es das Recht aller Nationen ist, ihre eigenen Interessen voran zu stellen. Wir streben nicht danach, jemandem unsere Lebensweise aufzuzwingen, sondern, sie als Beispiel leuchten zu lassen.“

Mangel an Alternativen

Trump ist nur noch bereit die ökonomischen Kosten der westlich-imperialen Politik im Rahmen eines „burden sharing“ zu tragen. Sein damit einhergehendes Ziel, das Defizit im Außenhandel zu verringern, ist nicht nur ein Angriff auf China, sondern auch auf die EU speziell Deutschland. Allerdings kann die Merkel-Regierung damit schwer umgehen.

Die deutschen Eliten sind stark auf die transatlantischen Beziehungen ausgerichtet. Sie haben keine alternativen, zukunftsfähigen Konzepte. Die seit Trump in der konservativen Presse geführten Diskussionen um eine atomare Bewaffnung Deutschlands, der Ausbau der Bundeswehr sowie die Militarisierung der EU weisen in die Vergangenheit. Crome formulierte es sehr scharf: Deutschland kann so viel rüsten wie es will. Der Versuch einer militärischen Dominanz Europas über Russland ist spätestens in Stalingrad endgültig gescheitert. Eine Zukunft kann nur in der Kooperation liegen. Der erste Schritt wäre eine Ablösung der jetzigen deutschen Regierung.

Ziele der europäischen Linken

Gegenüber Trump sollte die Linke eine Doppelstrategie verfolgen. Einerseits ein entschiedenes Auftreten gegen seine neo-liberale Agenda, seinen Sexismus und seine rückwärtsgewandte Umweltpolitik. Anderseits sind Versuche einer Beschränkung imperialer Außenpolitik, mögliche Rüstungsbegrenzungen sowie das Ziel einer Verringerung der Handelsungleichgewichte zu unterstützen. Die Welt wurde mit Trump spannender.

Quellen

Birg, Herwig: Entwicklung Weltbevölkerung; Informationen zur politischen Bildung 2011.
Kleinwächter, Kai: Macht Bevölkerung Politik; telepolis 2012.
Kleinwächter, Kai: USA – Wachsende Instabilität; telepolis 2013.

Kunstwerk des Eintrages

Julian Alden Weir (1852 – 1919) – Roses – Lizenz: Gemeinfrei

Julian Alden Weir - roses 1883

Julian Alden Weir inzeniert die vergängliche Schönheit der Rosen als Ausdruck einer melancholischen Stimmung der Zeit. Die herabgefallenen Blütenblätter erinnern an Vanitas-Stillleben für die Jungrau Maria. Auf sie verweist das Relief im Hintergrund. So kann das Gemälde auch als Andachtsbild gelesen werden.
Quelle: Barberini-Museum in Potsdam: Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne (17. Juni bis 3. Oktober 2017)

Creative Commons Lizenzvertrag Weitere Informationen zum Urheberrecht unter Kontakt/Impressum/Lizenz.
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ORCID iD icon https://orcid.org/0000-0002-3927-6245

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