Außenpolitik Skandinaviens – Innerer Frieden und äußere Sicherheit

Aktualisierung: März 2021
Erste Fassung: September 2017

Auf der aktuellen Sicherheitskonferenz der NATO in München stehen viele Themen über Syrien/Irak, Nordafrika als auch die Ukraine auf der Agenda. Fragmente eines Feuerings um Europa aus gescheiterten „Demokratisierungs“-Projekte der NATO-Staaten. Gleichzeitig führt Nordeuropa eine Debatte um eine mögliche Neuausrichtung seiner Außen- und Sicherheitspolitik. Kernfrage ist ein möglicher Beitritt Schwedens und Finnlands zur NATO.

Das Militär hat in den skandinavischen Ländern wie in Deutschland nur geringe wirtschaftliche Bedeutung. Gemessen an der Wirtschaftskraft wenden diese Länder einen ähnlichen Ressourcenumfang für die äußere Sicherheit aus. Lediglich bei den Ausgaben pro Einwohner gemessen in US-$ liegen sie vor Deutschland. Dies ist aber mehr ein Ausdruck der starken Außenwährung als der von real höheren Ausgaben.

Militärausgaben Deutschland Skandinavien

Die skandinavischen Volkswirtschaften haben zusammen 26 Mio. Einwohner. Durchschnittlich geben sie nur 1,3 Prozent ihrer Wirtschaftskraft für militärische Zwecke aus. Entsprechend liegt ihr Anteil an den europäischen Militärausgaben zusammen bei ca. sechs Prozent. Das entspricht etwa der Hälfte des deutschen Militärbudgets. Damit haben die nordischen Staaten einen höhere Militäranteil als ihrem Bevölkerungsanteil an Europa entspricht. Die Ursache liegt in der deutlich höheren Wirtschaftskraft pro Einwohner. So erwirtschaftet beispielsweise Norwegen ca. 52.000 € (2013) pro Einwohner – mehr als das 1,7fache von Deutschland.

Militärausgaben in Europa 2014

Trotz der begrenzten Militäretats haben die skandinavischen Staaten eine hoch-moderne Rüstungsindustrie aufgebaut. Würde Skandinavien als ein Land gewertet wären die Exporte von 2010-2014 mit 3,8 Mrd. US-$ gleichauf mit der Ukraine. Damit sind die nordischen Staaten der neunt-größte Exporteur weltweit. Deutschland mit einer dreimal so großen Bevölkerung exportierte im gleichen Zeitraum Waffen im Wert von 7,4 Mrd. US-$. Noch stärker als Deutschland liefern die Skandinavier vor allem Hochtechnologie. So entfallen in Schweden über 75 Prozent der Rüstungsexporte auf das Kampfflugzeug Gripen sowie Sensoren- und Raketensysteme. Aus Sicht der NATO eine interessante Ergänzung.

Internationale Position Skandinaviens

In allen internationalen Rankings erreicht Skandinavien Spitzenpositionen – egal ob wirtschaftliche, demokratische oder ökologische Indikatoren herangezogen werden. Besonders bei den sozialen Indikatoren liegen diese Staaten immer unter den weltweit führenden. Der innere Frieden trägt entscheidend zur außenpolitischen Stabilität bei.

Diesen inneren Frieden nutzen die Staaten um nachhaltig auf eine Entspannung nach außen zu wirken. So übererfüllen Norwegen und Schweden die Zielmarke der UN, dass mindestens 0,7 Prozent der eigenen Wirtschaftskraft für Entwicklungshilfe bereitgestellt werden soll. Deutschland hingegen liegt deutlich abgeschlagen bei ca. 0,4 Prozent des BNE.

Entwicklungshilfe Industriestaaten

Skandinavien etablierte mit die friedlichsten und wohlhabensten Gesellschaften weltweit. Dies konnte auch gelingen, weil die Ausgaben für militärische Güter und außenpolitische Abenteuer bisher weitgehend vermieden wurden. Allerdings zeigen nicht nur die Wahlerfolge konservativer bis rechter Parteien eine zunehmende Spaltung des politischen Systems. Die in der Bevölkerung und der Mittelschicht dominierenden Sozialdemokratie inkl. starken pazifistischen Traditionen gerät in Bedrängnis. Große Bereiche der „alten“ Eliten insb. Adel, Militär und der Exportindustrie sind konservativ-atlantisch eingestellt. Sie befürworten eine Anlehnung an die USA bzw. NATO. Ausdruck findet Entsprechende Beteiligung an Einsätzen der NATO zum Beispiel in Afghanistan, Wiedereinführung der Wehrpflicht, einer Zunahme von Großmanöver unter Einbeziehung westlicher Allierter sowie einem steigenden Rüstungsetat.

Parallel dazu vertiefen die nordischen Staaten (Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland und Island) ihre gegenseitige Kooperation in der Sicherheitspolitik. So schufen sie 2009 mit der Nordic Defense Cooperation ein eigenes Verteidigungsbündnis. Im Vordergrund steht die Vereinheitlichung der militärischen Strukturen. Beispielsweise erwägt Finnland seine Luftwaffe mit dem Gripen-Kampfflugzeug auszustatten. Ebenfalls wird der Aufbau gemeinsamer Einheit im Marinebereich angestrebt.

Bisher stellten insbesondere die neutralen Staaten eine Pufferzone zu Russland. Es ist zu befürchten, dass durch den Beitritt nicht nur dieser Puffer wegfällt, sondern auch mehr Mittel in den militärischen Sektor fließen. Eine weitere Schwächung alternativer Strategien der Gesellschaftspolitik. Es ist zu hoffen, dass die friedlichen Kräfte sich weiterhin in diesen Ländern durchsetzen.

Weitere Informationen

In WeltTrends-Heft 104 „Sicherheit in Skandinavien“ analysieren führender Wissenschaftler der Friedens- und Konfliktforschung die Außenbeziehungen der Skandinavischen Staaten. In dem Heft findet sich auch eine gekürzte Fassung des vorliegenden Beitrages.

Quellen

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) (Hrsg.): ODA-Zahlen – Geber im Vergleich 2014; 2016.
Institute for Economics and Peace (Hrsg.): Global Peace Index (GPI) 2015; 2015.

Kleinwächter, Kai: NATO – Militärbudgets im Widerstreit; telepolis 2015.
Social Progressive Imperativ (Hrsg.): Social Progress Index (SPI) 2015; 2015.
Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) (Hrsg.): Military Expenditure Database 2015 2016.
United Nations (Hrsg.): Human Development Report (HDR) 2015; 2015.

Kunstwerk des Eintrages

Hugo Simberg (1873-1917) – Kuoleman puutarha (Im Garten des Todes)
public domain – Originaldatei auf wikimedia commons.

Hugo Simberg (1873-1917) - Kuoleman puutarha (Im Garten des Todes)

„The Garden of Death“ shows skeletal figures dressed in black robes, gently tending strange, scraggy flowers. Simberg has given us an explanation of the background to the work. According to him, the garden of death is where souls go before being admitted to heaven. The plants symbolise human souls that are awaiting their future fate in this humble form.

The figure of death in the foreground welcomes the viewer into the labyrinthine garden. This is a necessary stopping place – it is the only way to go through. In the background, a road leads further away into the distance. The prosaic quality of the scene is emphasised by a watering can and a towel hanging from a hook.

Simberg’s kind, plant-tending death is not frightening. It has only been assigned a task that unavoidably causes pain.

Quelle: The Other World of Hugo SimbergThe Garden of Death

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