Vier Thesen zu den aktuellen Statistiken über die Entwicklung der weltweiten Militärausgaben. Diese werden vom Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) herausgeben.
1. Die weltweite Zunahme der Rüstungsausgaben hält an. Diese besorgniserregende Entwicklung ist seit dem Jahre 2015 zu konstatieren. Im Jahr 2021 überschritten die realen Ausgaben für Rüstung erstmal die 2 Billionen US-$ Grenze. Ein bisher nie gemessenes Allzeithoch – selbst deutlich über allen Werten des vergangenen Jahrhunderts. Nach wie vor bedeutet eine Zunahme der Wirtschaftskraft auch eine Steigerung der Rüstung.
2. Ab 2019 trat die Aufrüstung in eine beschleunigte Phase ein. Die Militärausgaben steigen schneller als die Wirtschaftskraft. Damit verschiebt sich die Balance von ziviler zu militärischer Wirtschaft zugunsten letzterer. Eine vergleichbare Entwicklung zeigte sich das letzte Mal in den Jahren in bzw. vor der 2. Weltwirtschaftskrise 2009/2010. Selbst als in der Wirtschaftskrise 2020 (Corona-Pandemie) die Wirtschaftskraft weltweit sank, sparten die Staaten nicht beim Militär. Auch die seit Sommer 2021 zunehmende Inflation in Folge der wirtschaftlichen Problemlagen wurden in vielen Staaten mehr als kompensiert.
3. Bei der Betrachtung der Militärhaushalte ist eine langfristige Perspektive geboten. Insbesondere in Zeiten hoher Inflationsraten und damit verknüpften volatiler Wechselkurse schwanken die ermittelten Werte für die realen Militärausgaben stark. Selbst bei einer deutlichen Zunahme der Militärhaushalte in nationaler Währung kann es statistisch gesehen, zu einer Absenkung der realen Ausgaben kommen.
Gegenwärtige Beispiele sind die USA aber auch Deutschland. Beide erhöhten ihre Militärausgaben von 2020 auf 2021 in nationaler Währung – die USA um ca. 22 Mrd. laufende US-$, Deutschland um knapp unter 700 Mio. €. Real sanken aber die Militärausgaben in beiden Staaten. Bei Deutschland um 720 Millionen und den USA sogar um knapp 10 Mrd. US-$ (in Preisen von 2020).
Bei einer längerfristigen Betrachtung ändern sich die Aussagen. So stiegen die deutschen Militärausgaben seit 2011 um 45 Prozent gerechnet in laufenden € und um 27 Prozent gerechnet in realen US-$ (in Preisen von 2020). Bei den USA hingegen ergibt sich bei einer nominalen Steigerung um sechs Prozet eine reale Absenkung um 21 Prozent.

4. Trotzdem bietet die obige Liste Hinweise darauf, in welchen Regionen und Ländergruppen sich langfristige Änderungen zeigen. Drei Regionen stechen aus der allgemeinen Entwicklung hervor.
In zwei Regionen (Westeuropa und Ost-Asien) steigerte die deutliche Mehrheit der Staaten ihre Militärausgaben überproportional. Da sich in beiden Regionen auch große Volkswirtschaften befinden, hat ihre Aufrüstung globale Auswirkung.
– In Ost-Asien sind es vor allem China und mit einigem Abstand Japan, die ihre Militärhaushalte hochfahren. Dabei scheint Japan seit 2017 seine Politik der (militärischen) Zurückhaltung immer mehr zu verlassen.
– In West-Europa rüsten vor allem die zentralen Mächte Großbritannien, Italien und Frankreich sowie kleinere Staaten wie Finnland und Griechenland real auf. Auch die Staaten Zentraleuropas (Polen, Baltikum, Rumänien etc.) steigerten ihre Militärausgaben. Aber die Wirtschaftskraft ist zu klein, um einen signifikanten Ausschlag zu erzeugen. Zum Vergleich: Alle Staate Zentraleuropas kommen zusammen auf ca. 65 Prozent der Militärausgaben Deutschlands – ca. 34 zu 52 Mrd. US-$ in Preisen von 2020.
Einen Rückgang der Militärausgaben scheint es nur im Nahen Osten zu geben. Allerdings nach einer Phase von fast 20 Jahren kontinuierlicher Hochrüstung. Die Entwicklung ist aber uneinheitlich – Starke Senkung Saudi-Arabien und Türkei, starke Steigerung Israel, Kuwait, und Iran. Zumal die realen militärischen Auseinandersetzungen im Jemen, Syrien und dem Irak nicht abgenommen haben. Hier muss abgewartet werden, wie sich die hohen Energiepreise, die auch steigende Einnahmen für die Ölstaaten bedeuten, auswirken.
Datengrundlage
Die statistischen Angaben beruhen vor allem auf der SIPRI-Datenbank „Military Expenditure“. Der Text verwendet die Version vom April 2022.
Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Forschungsinstitut und seinen Statistiken vgl. Kleinwächter, Kai (2016): SIPRI – Statistiken für die Friedensforschung; Wissenschaft und Frieden.
Zur Bewertung der historischen Entwicklung internationaler Militärausgaben: vgl. Kleinwächter, Kai (2020): Phasen globaler Rüstung; zeitgedanken.blog.
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