Aktualisierung: Februar 2023
Erste Fassung: März 2020
Heutige Großkonzerne verfügen über eine Vielzahl von Einzelmarken, die sich in verschiedene Produkt- und Regional-Varianten segmentieren. Für eine widerspruchsfreie Markenpolitik müssen diese strategisch zueinander positioniert werden. Dafür haben sich vier Ansätze durchgesetzt:
A) Einzelmarkenstrategie
B) Mehrmarkenstrategie
C) Dachmarkenstrategie
D) Familienmarkenstrategie
In kaum einem Konzern findet sich die exakte Umsetzung theoretischer Modelle. Aber Unternehmen, die sich ihnen annähern, weisen klarere Marktpositionierungeb auf und sind letztlich erfolgreicher. Die Positionierung der Marken ist „nur“ die Erscheinungsform einer in sich konsistenten, langfristigen Ausrichtung des Konzerns – sowohl in Bezug auf bestehende Geschäftsmodelle, gegenwärtige und zukünftige Zielgruppen als auch angestrebte Marktanteile.
Oder vice versa: Konzerne mit einem chaotischen Markenportfolio verfügen über keine konzernweite Strategie. Ihre Aufspaltung oder sogar der Untergang sind wahrscheinlich.

Das bedeutet aber auch, strukturelle Veränderungen der Geschäftsstrategien gehen mit deutlichen Veränderungen der Markenpolitik einher. Ein aktuelles Beispiel ist der Zerschlagung des traditionsreichen Verlags Gruner & Jahr durch die neue Konzern-Mutter RTL.
G&J hatte eine Strategie der Marktdurchdringung mittels Mehr- und Dachmarkenstrategie angestrebt. In Folge entstanden viele Ableger bekannter Kernmarken. Zentrales Beispiel ist die Marke GEO mit mindestens zwölf Ablegern. RTL setzt dagegen auf eine profitorientierte Strategie der Einzelmarken. Entsprechend werden jetzt zahlreiche Marken verkauft oder sogar eingestellt. (manager magazin 2023) Sie ergeben ohne die passende Strategie der Dachmarke keinen Sinn.
„Viele der Titel sind Ableger.
Wir können uns nicht vorstellen, diese zu verkaufen,
wenn wir die Kernmarken „Geo“ und „Brigitte“ behalten.
Sonst wäre eine einheitliche Markenführung nicht möglich.““
Thomas Rabe (Vorsitzende der Geschäftsführung von RTL Deutschland)
A) Einzelmarkenstrategie
Bei diesem Ansatz werden die (Produkt-)Marke einzeln aufgebaut und bleiben unabhängig voneinander. Es findet keine Verbundwerbung oder Annäherungen im Design statt. Tendenziell weiß der Kunde nicht, dass die Marken zum gleichen Konzern bzw. zu welchem Unternehmen sie überhaupt gehören.
Vorteile
Diese Strategie ermöglicht eine konzentrierte Ausrichtung auf spezifische Märkte und Zielgruppen. Das Management kann sich auf die Weiterentwicklung des Kernproduktes konzentrieren, (fast) ohne Auswirkungen auf andere Produktgruppen des Konzerns mit bedenken zu müssen. Das schließt auch radikale Neupositionierungen sowie den Zu- bzw. Verkauf von Produktmarken ein. Gleichzeitig bleiben bei (kleineren) Skandalen die Folgen für den Konzern begrenzt.
Nachteile
1. Bei dieser Strategie erfolgt keine Stützung des Images durch den Konzern oder den anderen unternehmenseigenen Produktmarken. Entsprechend sind Etablierung und Erhalt der einzelnen Marken mit erheblichen (Marketing-)Kosten verbunden.
2. Die unabhängige Weiterentwicklung der Produkte vermindert die gemeinsame Nutzung von Produktions- und Vertriebsstrukturen. Im Extremfall baut jedes Kernprodukt eigene Strukturen auf. Da so die Fixkosten nur über relativ kleine Produktionsmengen verteilt werden, ergeben sich tendenziell höhere Kosten pro Stück als bei der Konkurrenz. Die Strategie der Einzelmarken eignet sich folglich nicht für das untere Preissegment.
3. Durch den Aufstieg digitaler Medien lässt sich die Abschottung zwischen den Marken immer schwerer durchhalten. Insbesondere bei Skandalen ist schnell der gesamte Konzern betroffen. Damit versagt tendenziell einer der Hauptvorteile dieser Strategie.
4. Wie bei allen Mischkonzernen besteht die Gefahr der Zerrissenheit. Das Management verliert den Überblick und kann keine ausreichende Rentabilität erzielen. Das ist insbesondere dann gefährlich, wenn es nur wenige profitable Marken gibt. Die Quersubvention der zukünftigen „Stars“ ist dann auf Dauer nicht durchzuhalten.
5. Bei dieser Strategie müssen die einzelnen Marken klar voneinander abgegrenzt sein. Ansonsten droht gegenseitige Kannibalisierung – schlimmstenfalls wäre keines der Produkte mehr profitabel.
Anwendung
Diese Strategie eignet sich vor allem für Portfoliostrategien im oberen Preisbereich. Die einzelnen Marken positionieren sich vor allem über Qualität, technologische Führerschaft und hohes Markenimage. Durch die Etablierung im gehobenen Preisniveau können die höheren Stückkosten gedeckt werden. Dabei konzentriert sich der Konzern auf die lukrativsten Märkte bzw. Marktsegmente. Wobei die Unternehmen oft in artverwandten Märkten bleiben. Sind die Marken bzw. Segmente ausgereizt, erfolgt entweder der Verkauf oder die Auspressung eines maximalen Cash-Flows (Strategie Cash-Cow).
Beispiel Procter&Gamble
Dieser Konzern hat sich auf Aufbau und Vermarktung internationaler Marken der Konsumgüterbranche spezialisiert. Zum Unternehmen gehören derzeit ca. 18 globale Haupt-Marken (sowie weitere diverse Untermarken und nur lokal verkauft Marken), die primär im oberen Qualitäts- und Preisbereich angesiedelt sind. Sie zählen in ihren jeweiligen Bereichen zu den Marktführern. Durch die führende internationale Marktposition erreicht der Konzern solche Stückzahlen, dass ein negativer Faktor der Einzelmarkenstrategie – die hohen Stückkosten – fast verschwindet. Jede der Produktmarken ist klar von den anderen abgegrenzt – eine Kannibalisierung nahezu ausgeschlossen.
Regelmäßig werden Marken und mit Ihnen die mit ihnen die gesamt Produktion und Logistik verkauft. Ein Beispiel ist der Verkauf bzw. Abspaltung von 43 „Schönheits“-Marken im Jahre 2014 an Coty (Nach dem Reverse Morris Trust besaßen die Aktionäre von P&G 52% der Anteile von Coty.) P&G verkaufte bekannte Marken wie Wella, Max Factor sowie bekannte Parfüme wie Hugo Boss, Gucci, Lacoste und bruno banani. Die Transaktion brachte dem Konzern geschätzt 13 Mrd. US-$ ein.
Hintergrund war, dass die verkauften Marken nicht (mehr) die angestrebten Margen erreichten bzw. der Konzern in ihnen keine Zukunft mehr sah. Aus Sicht von P&G weist der Kosmetikmarkt nur noch sehr wenige Möglichkeiten zum Differenzierten Markenauftritt auf. Entsprechend ist es schwer Marken im hochpreisigen Segmenten unterhalb des Luxusbereiches zu etablieren. Der Verkauf konnte weitgehend ohne (Image)Probleme erfolgen, da der Konzern hinter der Produktmarke den Kunden weitgehend unbekannt war.
Es sind aber auch nur regionale Verkäufe möglich. So wird die Toiletten-Papier-Marke Charmin seit 2007 von P&G nur noch in den USA vertrieben. Die europäischen Märkte wurden an die Svenska Cellulosa AB verkauft. Dieser benannte in Deutschland die Marke in Zewa Soft um.
Allerdings zeigen sich in den wirtschaftlichen Krisen seit 2008 auch Grenzen des Modells. Die Zunahme des Umsatzes verlangsamte sich deutlich. P&G versucht vor allem zwei Gegenstrategien. Einerseits soll der Absatz in einigen Märkten steigern, indem bei Marken wie Pampers vereinfachte Varianten zu niedrigeren Preisen eingeführt werden (Pampers Basic). (Brück 2009) Gleichzeitig hob der Konzern die klare Trennung zwischen einigen Marken auf. So verkauft Lenor jetzt auch Waschmittel und macht Ariel Konkurrenz. Durch beide Strategien nähert sich P&G eher einer Mehrmarkenstrategie an. Das könnte eine langfristige Strategieänderung sein oder ein erneutes „auspowern“ bestimmter Marken bis sie zum Verkauf reif sind.

Literaturverzeichnis
Brück, Mario (2009): Procter & Gambles billige Masche in der Krise. WirtschaftsWoche. Düsseldorf.
Bruhn, Manfred (1999): Marketing. Grundlagen für Studium und Praxis. 4., überarbeitete Auflage. Wiesbaden: Gabler Verlag.
International Institute for Management Development (1998): Das MBA-Buch – Mastering Management. Die Studieninhalte führender Business Schools. Stuttgart: Schäffer-Poeschel (Handelsblatt-Reihe).
Kotler, Philip; Bliemel, Friedhelm (1993): Marketing-Management. Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung. 7., vollst. neu bearb. und für den dt. Sprachraum erw. Aufl., 5., verb. Nachdr. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
manager magazin (Hg.) (2023): RTL streicht 700 Jobs bei Gruner + Jahr.
Meffert, Heribert (1993): Marketing. Grundlagen der Absatzpolitik; mit Fallstudien Einführung und Relaunch des VW-Golf. 7., überarb. und erw. Aufl., Nachdr. Wiesbaden: Gabler (Gabler-Lehrbuch).
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