Original: Februar 2017
Die Wahl von Trump zum neuen US-Präsidentenbedeutet einen „Staatsstreich der Konzerne“ – einen rechtskonservatien Versuch die Führungsmacht der USA zu bewahren. Konkurrierende kapitalistische Mächte wie Deutschland sehen sich nun einer neuartigen außenpolitischen Situation gegenüber. Eine konsequente Ausrichtung nach den eigenen Interessen wird immer dringender.
Der neugewählte US-Präsident ist seit sechs Wochen im Amt, hat seine Arbeit zügig begonnen und dramatische Wirkungen erzielt. Schon die Inaugurationsrede vom 20. Januar 2017 war – anders als von den Führungen weltweit erwartet – sehr direkt, klar und radikal. Seine konsequente chauvinistische Botschaft „America first“ und „Make America Great Again“ ist ernst zu nehmen. Wesentlich für den politischen Erfolg sind für ihn dabei nicht ethisch sittliche Werte, sondern die praktische Wirkung der Maßnahmen zur Durchsetzung der US-Interessen. Dieser Zweckrationalismus erinnert an die machtpolitischen Grundsätze eines Niccolò Machiavelli (1469-1527).
Die Trump-Administration setzt eine nationalistische, neo-isolationistische „Zeitenwende“ in Gang, einen „Staatsstreich der Konzerne“ (Naomi Klein), eine radikale Wende von rechts, eine Wende von oben in der US-amerikanischen Politik, in der Wirtschaft und im Militärwesen. Als Reaktion auf den Machtverlust in den vergangenen Jahrzehnten und angesichts eines sich weiter verändernden globalen Kräfteverhältnis im 21. Jahrhundert, versuchen rechtskonservative Führungskreise brachial, die USA als führende Großmacht neu zu formieren. Mit gravierenden Auswirkungen auf das Weltgeschehen in der Amtsperiode Trump und darüber hinaus ist zu rechnen. Widersprüchliche Entwicklungen einer Destabilisierung und Stabilisierung sind dabei Normalität.
Hetze und Sieg-Ursache
Die Rhetorik im vergangenen Wahlkampf war wie gewohnt mal weniger, mal mehr, diesmal aber extrem zugespitzt. Ausdruck einer Verrohung der politischenKultur, geprägt durch Rassismus, Islamophobie, Frauen- und Schwulenfeindlichkeit sowie Lügen und Fälschungen seitens der HauptakteurInnen.
Das hat eine lange Tradition. Bereits 1971-72 entwickelte Donald Segretti, Wahlkampfmanager im Team des späteren Präsidenten Richard Nixon (eine Bezugsperson für Trump), sogenannte dirty tricks: unflätige Konzepte und Methoden zur Unterwanderung und Zersetzung von Wahlkampagnen. Die persönliche Diffamierung der Konkurrenten eingeschlossen – das sogenannte „Rattenficken“[1]. Es ist seitdem offen und verdeckt Merkmal von Wahlkämpfen in hochgepriesenen Demokratien, nicht nur in den USA.
Eine Besonderheit der jüngsten Wahlsiege, sowohl von Obama 2008 als auch Trump 2016, ist dagegen die Perfektionierung der Massenmanipulation mittels modernster Internetmedien. Der überragende IT-Bekanntheitsgrad und die direkte, allgemein verständliche, bildhaft-emotionale Twitter-Ansprachen von über 40 Millionen Adressaten durch die „Marke Trump“, trugen wesentlich zum Wahlsieg des amtierenden Präsidenten bei, werden fortgesetzt und sollen anhaltenden Masseneinfluss sichern.
Zivilgesellschaft
„JedesVolk hat die Regierung, die es verdient“, meinte einst der katholische Staatsphilosoph Comte de Maistre (1753-1821). Man kann Mitleid mit dem Volk, insbesondere der Jugend der USA haben. Aber eine Alternative – wie sie der linksliberale Ökonom Bernie Sanders aus der Demokratischen Partei präsentierte – hatte, trotz seiner bemerkenswerten Vorwahlerfolge, nie eine wirkliche Chance. Hillary Clinton unterstützt von Barack Obama war in ihrer Sieg-Arroganz nicht bereit, seine sozialen Positionen ernsthaft zu berücksichtigen. Das forcierte berechtigterweise ihre Niederlage.
Die Protestdemonstrationen von Millionen Frauen, Jugendlichen, Wissenschaftlern, Migranten, Angehörigen von Minderheiten sowie von modernen Wirtschaftsunternehmen und Softwarekonzerne lassen hoffen, dass sich ein wirkungsvoller Widerstand der Zivilgesellschaft gegen die Trump-Politikformieren kann. Die Spaltung der Gesellschaft vertieft sich und das Konfliktpotential wächst an. Ein Sturz des Präsidenten aus dieser Bewegung heraus ist jedoch unwahrscheinlich.
Machtelite
Innerhalb weniger Wochen rekrutierte Trump seine Regierungsmannschaft. Sie wird dominiert von erzkonservativen Unternehmern, Militärs, Bankern und Medienexperten, Millionären und Milliardären, zumeist unabhängige (!) Vertreter der Machtelite. Vertreter der US-Großbourgeoisie übernehmen damit unmittelbar die Macht.
Entgegen von Behauptungen ihrer „politischen Unerfahrenheit, Irrationalität, Unkalkulierbarkeit“, vorrangig kolportiert in Diffamierungskampagnen europäischer Massenmedien, sind sie profiliert, sachkundig, strategisch denkend und treten selbstbewusst in ihren Berufungsanhörungen, in Interviews und in internationalen Konferenzen auf (NATO, G20, Münchner Sicherheitskonferenz).
Beispielhaft dafür sind: der Vizepräsident Mike Pence, vorher Gouverneur von Indiana und über zehn Jahre Kongressabgeordneter, Außenminister Rex Tillerson, ehemaliger Chef des ExxonMobil-Konzerns, der kriegs- und NATO-erfahrene Verteidigungsminister General James Mattis sowie der konzeptionelle Chefideologe Steve Bannon, einem Vertreter der extremistischen Neuen Rechten, der den Wahlkampf von Trump managte und von ihm in den Nationalen Sicherheitsrat berufen wurde.

Machtexekution
„Die Zeit für leeres Gerede ist vorbei. Nun kommt die Stunde des Handelns.“ Trump exekutiert seine Ankündigung mittels einer anhaltenden Flut von über 30 „Executive Orders“ innerhalb der ersten vier Wochen. Daran ändern auch einzelne mutige Verzögerungen durch selbstständige Bundesrichter im Wesen nichts.
Die Präsidialerlasse haben unmittelbare Gültigkeit und können letztlich nur von einer Zweidrittelmehrheit des Kongresses verhindert werden. Angesichts der satten Mehrheiten der Republikaner in beiden Kammern – Repräsentantenhaus und Senat – ist das nicht zu erwarten: Finanzierungsabsage der Krankenversicherung Obamas, Genehmigung umweltschädlicher Ölpipelines und Fracking-Bohrungen, „Grenzmauer“ zu Mexiko, deregulierender Rückbau des Staates, deutliche Schwächung der Bankenkontrolle, Einreisestopp für Bürger aus sieben muslimischen Ländern usw. usf.; gekoppelt mit Personalentlassungen bei Widerspruch.
Schlag auf Schlag werden Ankündigungen z.T. unausgereift, aber tatkräftig realisiert. Es tobt ein erbarmungsloser Macht- und Richtungskampf zwischen den Gruppierungen der konservativen Führungselite.
Globalisierungsgegner
Außenwirtschaftlich kritisiert Trump massiv die negativen Folgen der Globalisierung für die USA. Sein ökonomischer Nationalismus gipfelt z.Zt. in Drohungen mittels Steuern und Zöllen gegen Unternehmen (z.B. Ford sowie deutsche Autobauer), die nicht in den USA investieren, um Arbeitsplätze zu schaffen sowie in der Ablehnung multilateraler zugunsten bilateraler Wirtschafts-/Handels-Verträge. Erste Aktivitäten waren der Ausstieg aus dem Transpazifischen Freihandelsabkommen(TTP), die Ankündigung NAFTA neu zu verhandeln sowie die TTIP-Verhandlungen vollkommen in Frage zu stellen.

Konkurrierende ökonomische Mächte, die einen deutlichen Überschuss im Außenbeitrag (dem Saldo aus Handels- und Dienstleitungsbilanz) realisieren, werden wie China als Gegnerdefiniert oder wie die Europäische Union, insbesondere Deutschland, massiv kritisiert und handelspolitische Gegenmaßnahmen angedroht. Innerimperiale Handelskriege erscheinen am Horizont.
Insgesamt sind die Methoden der US-Administration geprägt durch pragmatischen Aktionismus, erpresserische Maximalforderungen zur Erreichung optimaler Ergebnisse, Neugestaltung mittels direkter Durchsetzung, inklusive von Korrekturen im Vorwärtsgehen. Das Wirtschaftskonzept trägt rechts-keynesianische Züge einer widersprüchlichen staatlichen Investitions- und drastischen Kürzungspolitik sowie einer radikalen „kreativen Zerstörung“ àla Schumpeter.
Selbstbestimmung
Präsident Trump stellt westliche Grundsätze auf den Prüfstand: die „NATO ist veraltet“, mit Blick auf den BREXIT ist es bei der EU „egal, ob sie getrenntoder vereint ist“, die Globalisierung wird abgelehnt, der Krieg im Irak war „ein dicker, fetter Fehler“, die Grenzöffnung Merkels war ein „katastrophaler Fehler“. Putin und Merkel gleichsetzend meinte er, „am Anfang will ich beiden vertrauen. Es kann auch sein, dass das Vertrauen nicht lange hält.“
Angesichts dessen befindet sich die EU und Deutschland in einer qualitativ neuartigen Situation, einer westlichen Bündnis- und Systemkrise. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gültige, scheinbare Axiome der US-amerikanischen Globalstrategieund der westlichen Bündnispolitik werden in Frage gestellt. Zwingend notwendigsind eine realistische Analyse der eigenen Interessen, die Lösung aus der USA-Führerschaft und die Durchsetzung einer konsequent selbstbestimmten zivilisierten Europa- und Weltpolitik.
Fußnoten
[1] Kaul, Friedrich Karl (1977): Watergate. Ein Menetekel für die USA, Verlag Das Neue Berlin, 1977, 9. Kapitel „Rattenficken“, S. 71ff.
Bildrechte
Bild 1 (Startbild): The White House-Homepage. Gemeinfrei da von Mitarbeitern der US-Regierung erstellt.
Bild 2: Photograph of the President-Elect Donald Trump. Autor: whitehouse.gov; Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung 3.0 nicht portiert„.
Bild 3: Donald Trump is greeted by President Ronald Reagan at 1987 White House reception. Lizenz: Gemeinfrei da von Mitarbeitern der US-Regierung erstellt.
Bild 4: Donald Trump’s star on the Hollywood Walk of Fame. Lizenz: Gemeinfrei.
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