Fassung: November 2012
Besprechung: Fischer, Severin: Auf dem Weg zur gemeinsamen Energiepolitik. Strategien, Instrumente und Politikgestaltung in der Europäischen Union. Nomos, Baden-Baden 2011, 283 S.
„Mit dem Vertrag von Lissabon wurde erstmals eine explizite primärrechtliche Kompetenz der EU in der Energiepolitik festgehalten“ (S. 46). Davon ausgehend analysiert Fischer Zielkonflikte im Dreieck Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit, die dem „neuen“ Politikfeld inhärent sind, sowie die Durchsetzungsfähigkeit der EU- Institutionen. Fischer konzentriert sich auf die Rolle der zentralen EU-Institutionen sowie die Mitgliedstaaten Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Polen.
Die europäische Energiepolitik stellt er anhand einzelner Bereiche dar – Versorgungssicherheit mit Erdöl und Erdgas, Infrastruktur, Energiebinnenmarkt und erneuerbare Energien. Hervorzuheben sind die Abschnitte Energieeffizienz und Technologiepolitik – Themen, die selten in der politologischen „Energie-Literatur“ behandelt werden.
Im letzten (12-seitigen) Kapitel untersucht Fischer mögliche Zukunftsszenarien der europäischen Energiepolitik. Aus seiner Sicht ist eine schrittweise Weiterentwicklung auf Basis des Vertrages von Lissabon die wahrscheinlichste Variante. Skizzierte Alternativen – völlige Vergemeinschaftung und Regionalisierung – bergen hohe Risiken, zumal beide nicht die zentrale Herausforderung angehen: Jedes EU-Mitgliedsland ist anderen nationalen Zwängen ausgesetzt, die aus divergierenden Problemwahrnehmungen der Bevölkerungen resultieren. Eine gemeinsame Politik kann nur auf umfassenden Kompromissen beruhen. Als Leser wünscht man sich mehr von solchen strategischen Überlegungen. Fischer spricht wichtige Kontroversen an, beurteilt diese aber betont neutral. Dies ist bedauerlich – zumal er sich in seinen auf den Seiten der SWP veröffentlichten Artikeln deutlicher positioniert.
Der flüssig zu lesende und grafiklose Text bietet einen kenntnisreichen Überblick über die EU-Energiepolitik von 2007 bis 2010. Danach erfolgte Veränderungen, z. B. die neue Atompolitik nach Fukushima, finden sich nicht wieder. Für Einsteiger in das Thema europäische Energiepolitik ist die Studie gut geeignet, allerdings mit 49 Euro relativ hochpreisig – zumal ihr Wert in Anbetracht geringer historischer Tiefe und strategischer Ausrichtung sinkt.
Die Annotation erschien zuerst in WeltTrends – Das außenpolitische Journal Nr. 87 „Weltunordnung 21“. Sie ist auch PDF verfügbar.
Kunstwerk des Eintrages
Henry Adlard nach Sir Thomas Lawrence: Porträt Thomas Young.
Lizenz: gemeinfrei.
Thomas Young (1773-1829) leistete bedeutende Erkenntnisse in der Physik – u.a. entdeckte er die Interferenzerscheinungen des Lichtes und konnte so als erster Wissenschaftler seine Wellenlängen messen. In der Royal Society hielt Young 1807 einen Vortrag, in dem er erstmals den Begriff Energie im heutigen Sinne verwendete:
„The product of the mass of a body into the square of its velocity may properly be termed its energy.“
Ursprünglich hatte energeia im alt-griechischen einer fast rein philosophische Bedeutung. Es bedeutete soviel wie Wirklichkeit bzw. Wirksamkeit. Durch die Übertragung des Begriffs in die Mechanik führte Young die Physik über die Grenzen des Konzepte von Leibniz hinaus. Dieser hatte zuvor Energie als „lebendige Kraft“ (vis viva) beschrieben.
Quelle
Nicklisch, Hans (Hrsg.): Schlag Nach – Natur; Bibliografisches Institut VEB Leibzig 1952; S. 191.
Wikipedia (Hrsg.): History of Energy; 2017.
Wikipedia (Hrsg.): Thomas_Young_(Physiker); 2017.
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