USA – Staatsverständnis und Zwei-Parteiensystem

Artikel zum politischen System USA
– Staatsverständnis und Zwei-Parteiensystem
Wahlsystem – Blockaden und fragile Mehrheiten

Die Partei der Republikaner hat die Wahlen in den USA gewonnen. Für mindestens die nächsten zwei Jahre dominiert sie die Exekutive (Präsident bzw. Regierung) als auch die Legislative (Kongress mit Senat und Repräsentantenhaus) auf Bundesebene. Die umfassende Überraschung in deutschen Medien darüber ist nicht verständlich. Sie zeugt davon, das grundlegende Eigenschafen des politischen Systems der USA nicht verstanden wurden.

Das politische System der USA ist durch andere politische Realitäten gekennzeichnet als das System in Deutschland. Diese sind konstitutiv und werden sich nicht ändern. Von Europa aus politische Alternativen zu fordern, zeigt die eigene Selbstüberschätzung. Wird aber real nicht zu Veränderungen führen.

1. Anderes Staatsverständnis als Europa

Die Grundidee des politischen Systems der USA folgt einem anderen Staatsverständnis als in Deutschland. Ziel ist nicht der Aufbau eines jederzeit handlungsfähigen (Zentral-)Staates europäischer Prägung. Im Gegenteil, in den USA dominiert die Idee eines föderalen Minimal-Staates, der nur handelt, wenn es als unumgänglich angesehen wird. Dieser Staatsvorstellung präferiert eher föderale Regelungen vor bundesweiten Einheitsgesetzen sowie Selbstbestimmung bzw. Selbstverantwortung der Bürger vor staatlicher Absicherung bzw. Eingriffen. Diese Staatsidee ist fest im Bewusstsein der Bevölkerung verankert und wird sich, massive Krisen außen vor, auch nur Zukunft kaum ändern.

Ökonomischer Ausdruck dessen ist eine deutlich niedrigere Staatsquote als in Europa. Die Staatsquote beziffert den Umfang des Staates im Verhältnis zur gesamten Wirtschaftskraft des Landes. Die USA liegen derzeit bei etwas über 36 Prozent. Das heißt, die gesamten Ausgaben des Staates betragen ca. ein Drittel der Warenproduktion. Das ist für die die USA ein hoher Wert. Anfang der 2001 lag die Staatsquote bei etwa 32 Prozent.

In der EU liegt die Staatsquote bei etwas unter 50 Prozent. Daraus ergibt sich ein ganz anderer Umfang der staatlichen Aktivität, insbesondere bei der sozialen Absicherung. Ein Rechenbeispiel: Die deutsche Staatsquote liegt ca. 13 Prozentpunkte über der US-amerikanischen. Würde Deutschland seine Quote auf das Niveau der USA senken, müssten – bei einer Wirtschaftskraft von ca. 3.900 Mrd. € – ungefähr 500 Mrd. € aus dem Staatshaushalt bzw. den Sozialkassen gekürzt werden. Dann sähe dieses Deutschland anders aus.

Die Hoffnung, dass die USA einen europäischen Sozial-, Bildungs- und Investitionsstaat aufbauen, ist eine Illusion. Von begrenzten Programmen auf Ebene der Bundesstaaten abgesehen, wird es in nächsten Jahrzehnten weder eine (allgemeine) Krankenversicherung für Jeden noch einen umfassenden sozialen Wohnungsbau o.ä. geben. Hoffnungen in diese Richtung sind (linke) Illusionen. Soziale Verbesserungen im Detail ja – ein Sozialstaat europäischer Prägung nein. Die Programme von Biden zur Förderung der Wirtschaft und dem Ausbau der Infrastruktur gingen an die Grenze dessen, was in den USA durchsetzbar ist. Angesichts der republikanischen Programmatik sind sogar Versuch der Rückführung der Staatsquote wahrscheinlich.

2. Scheitern ist die Normalität

Das Staatsverständnis der USA prägt das institutionelle System. Exekutive (Präsident / Regierung), Legislative (Kongress mit zwei Kammern) sowie Verfassungsgericht hemmen sich gegenseitig. Entsprechend reicht schon die Kontrolle eines Organs, um (potentiell) jeden Gesetzgebungsprozess zum Stillstand zu bringen. (Stichwort: „Checks-and-balances“ (Schubert und Martina Klein 2020))

Zwei zusätzliche Elemente sollen sicherstellen, dass keine Partei alle Organe auf Dauer gleichzeitig kontrolliert und so die gegenseitigen Blockaden aushebelt. Einerseits werden die Organe unabhängig voneinander gewählt. Einzige Ausnahme ist die Wahl von Verfassungsrichtern. Andererseits können die Organe sich nur mit sehr hohen Hürden gegenseitig aufzulösen. Diese sind so hoch, dass sie defacto nie erreicht werden. Ein Beispiel sind die Empeachment-Verfahren zur Absetzung von Präsidenten. Seit 1776 war kein Verfahren erfolgreich. Das einzige Mal in 250 Jahren, wo es eine reale Chance dazu gegeben hätte – im Watergate-Skandal um Nixon – kam dieser der Amtsenthebung durch Rücktritt zuvor.

Zusätzlich bringen personalisiertes Mehrheitswahlrecht, genormte Wahltermine sowie alle zwei Jahre stattfindende Teilbesetzungen des Kongresses ständig wechselnde Mehrheiten hervor. Die Wahlmechanismen überzeichnen dabei selbst kleinste Stimmen-Mehrheiten um auch winzigste Veränderungen in der Stimmungslage der Wähler abzubilden.

Um Gesetze durch die von verschiedenen Mehrheiten beherrschten Institutionen zu bekommen, müssen umfassende politische Kompromisse geschlossen werden. Entsprechend bedarf die Durchsetzung ambitionierter Vorhaben einer breiten gesellschaftlichen Zustimmung, die Unterstützung starker Lobbyverbänden und ein hohes Verhandlungsgeschick. Je mehr davon fehlt, umso wahrscheinlich ist ein Fehlschlag.

Teilrealisierung bis hin zum Scheitern von Projekten sind erwünschter Bestandteil des US-Politiksystems. Sie sind real-politische Folge der angestrebten gehemmten Handlungsfähigkeit und nicht (unbedingt) Ausdruck der Unfähigkeit der Regierenden. Trumps Vision eines Mauerbaus lassen genauso grüßen, wie die Initiative Obama für eine allgemeine Krankenversicherung oder Bidens großer Infrastrukturplan.

Entsprechend müssen Wahlkampfversprechen immer vorsichtig gesehen werden. Das politische System der USA ist auf graduelle Veränderungen und nicht auf grundlegende Reformen ausgelegt. Entsprechend sollte in Analysen der primäre Fokus darauf gerichtet sein, was gleich bleibt – und dann erst was sich ändert. Das gilt auch für die Außenpolitik der USA. So konstatierte Prof. Hongjian Cui von der Beijing Universität für Internationale Studien schon im Oktober 2024:

3. Zwei Parteiensystem – Ständiger Wechsel

In Folge des Zusammenspiels der Institutionen bildete sich in den USA ein stabiles Zweiparteiensystem heraus. Dieses ist breit in der Bevölkerung akzeptiert und wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern. In dessen innerer Logik sind nur zwei Politikangebote relevant – das der demokratischen Partei und das der republikanischen. Zwischen diesen beiden muss sich der Wähler entscheiden. Aber es kann auch schnell zur Alternative gewechselt werden – was ein signifikanter Teil der Wähler auch wahrnimmt. Übertreibt es die an der Macht befindliche Partei, gewinnt sie vielleicht kurzfristig, aber verliert längerfristig. Möglicherweise schon bei den nächsten Wahlen in zwei Jahren.

Da das politische System umfassende Kompromisse erzwingt, haben sich die beiden Parteien in vielen Sachfragen angeglichen. Der Elitenkonsens ist traditionell sehr hoch. Die Sachzwänge der Realität tun ihr übriges. So war die Politik Bidens in vielen Bereichen eine Fortführung der ersten Trump-Zeit. Ebenfalls führte Trump viele Projekte der Obama-Ära weiter.

Die Wahlkämpfe konzentrieren sich entsprechend auf moralische Streitthemen – Grundsatzfragen würde man wohl in Deutschland sagen. Für oder gegen Abtreibung – Für oder gegen mehr illegale Migration – Für oder gegen Gendersternchen – Für oder gegen den Krieg in der Ukraine / Israel …

Wie relevant diese Themen wirklich für die Bevölkerung sind, ist eine andere Frage. Aber es müssen nun mal die Unterschiede herausgestellt werden. Mit Betonung von Gleichheit der politischen Positionen werden keine Wahlen gewonnen.

4. Normalität: Von Wahlkampf und Kooperation

Der ständige Wettbewerb im Zweiparteiensystem und der institutionelle Zwang zur Kooperation müssen zusammen gedacht werden. Auf Grund des zweijährigen Wahlrhythmus befinden sich beide Parteien nahezu ständig im Wahlkampfmodus. Und immer geht es um die Erringung bzw. den Verlust ganzer Verfassungsorgane und damit erheblicher Gestaltungsmöglichkeiten.

Parallel dazu sind beide Parteien meist in einem oder mehreren Verfassungsorganen, in den Institutionen auf Ebene der Bundesstaaten sowie auf kommunaler Ebene als bestimmende Kräfte vertreten. Eine politische Situation, in der die Demokraten bzw. die Republikaner reine Oppositionsparteien gewesen wären, kam seit seit der Staatsgründung nie vor. Es musste also immer ein Spagat zwischen dem „Krawall“ einer Opposition im Wahlkampf und der „staatsmännischen Arbeit“ in den politischen Organen gemeistert werden.

Beide Parteien müssen miteinander kooperieren, da ansonsten die Gesetzgebung blockiert. Sie brauchen dafür fähiges Personal, dass Kompromisse aushandeln und umsetzen kann. Und dass möglichst geräuschlos, um den Wahlkampf nicht zu gefährden, der ja gerade die Unterschiedlichkeit betont. Gleichzeitig benötigen Sie „Rattenficker“ für die äußerst schmutzigen Wahlkämpfe. (Neo Dunkelmann 2018)

Ein solches System bringt oft einen besonderen Typus extrem flexibler Politiker hervor. Am Vormittag ist der Gegner die größte Gefahr für das eigene Land und wird auf übelste beschimpft. Aber schon am Nachmittag sitzt man zusammen, berät den gemeinsamen Haushalt und findet tragfähige Kompromisse. Präsidenten wie Donald Trump aber auch Joe Biden haben eine Deal-Mentalität die dieser Art von Politik entspricht. Trump gibt sich nur im Unterschied zu Biden keine Mühe, das diplomatisch zu überdecken.

Die Krux aus europäischer Sicht ist, dass das Wahlkampfgetöse, die unsachlichen Angriffe und die Verleumdungen sehr stark wahrgenommen werden. Aber die inhaltlichen Kooperationen, insbesondere im Klein-Klein des politischen Alltags, gehen meist unter. Es ist dann oft kaum nachzuvollziehen, warum bestimmte Ergebnisse der Politik zustande kommen.

Literaturverzeichnis

Cui, Hingjian (2024): Was bedeuten die Präsidentschaftswahlen in den USA für China? In: WeltTrends 202 USA am Scheideweg, S. 34 -41.

Kirschbaum, Erik (2024): USA vor den Wahlen. In: WeltTrends 202 USA am Scheideweg, S. 66–71.

Kollenbroich, Britta (2025): „Musk führt nur ein Kürzungstheater auf, das die Leute ablenken soll“. Interview von Jessica Riedl. In: Spiegel, 23.04.2025.

Neo Dunkelmann (2018): Donald Trump – vom „Rattenficker“ zum Präsidenten; Potsdam: zeitgedanken.blog.

Schubert, Klaus; Martina Klein (2020): Das Politiklexikon. Checks and Balances. Bonn.

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Bei Interesse können die statistischen Daten für die Grafiken per Mail zugesandt werden.

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