Medien im Unterricht – Serious Games

„The oxymoron of Serious Games unites the seriousness of thought and problems that require it with the experimental und emotional freedom of active play. They combine the analytic and questioning concentration of the scientific viewpoint with the intuitive freedom and rewards of imaginative, artistic acts.“
Clark C. Abt (Abt 1987, S. 11f)

1. Der Begriff „Serious Games“ ist geprägt durch das gleichnamige Buch von Clark C. Abt.  Abt verstand darunter kompetitive Simulationen von Gesellschaft oder Unternehmen. Die „Spieler“ nehmen in den Simulationen verschiedene Rollen ein und müssen vom Spiel vorgegebene Ziele erreichen. Im Rahmen der Spielewelt erlangen sie durch Intuition und Emotionen aber auch eigene Analyse tiefere Einblicke in die Materie. Scheitern und Wiederholen sind dabei Teil der Spielerfahrung.

2. Die heutigen Möglichkeiten von Serious Games gehen deutlich über die Möglichkeiten zur Zeit von Abt hinaus. In der Gegenwart umfassen Serious Games nicht nur Simulationen sondern ein breites Spektrum über politische Spiele mit ernsten Inhalt, Gesellschafts- und Unternehmens-Simulation bis hin zu Lernspielen für den Schulstoff in allen erdenklichen Fächern. Sie reichen dabei von kostenlosen Indie-Games über politisch geförderte Programme bis hin zu Ergänzungen Kommerzieller Titel.

Ein Beispiel für letzteres ist die Entdeckungstour von „Assassin´s Creed Origins“. (gameswirtschaft.de 2017) Im Erkundungsmodus kann der Spieler durch die detailgetreuen Nachbildungen der Bauten des alten Ägyptens wandeln. Dabei werden weitere wissenschaftliche Informationen angeboten.

Eine Auswahl pädagogisch anspruchsvoller Titel des deutschsprachigen Raums finden sich auf den Seiten der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (2022) sowie des Landesmedienzentrums Baden-Würtemberg (2022).

3. In der Schule eingesetzte Computerspiele haben mehrere Vorteile. Einerseits geht der Unterricht stärker auf die Erfahrungswelten der Kinder und Jugendlichen ein. In deren Alltag haben Computerspiele eine festen Platz. Ihnen zu zeigen, dass solche Spiele auch pädagogische Inhalte vermitteln können, schafft die Möglichkeit umfassenderer Partizipation. Das gilt besonders für Schüler*innen die mit Büchern und wissenschaftlichen Texten nur schwer erreichbar sind.

Andererseits bieten Computerspiele emotionalere Zugänge zu Themengebieten. Durch versetzen sich die Schüler*innen in „andere Rollen“ – sei es in einen Manager, einen Flüchtling oder einen Drohnenpiloten. Dadurch können sie emotionalere Erfahrungen erhalten. Die eigenen Steuerungsmöglichkeiten lässt die Konsequenzen der eigenen Entscheidungen sichtbar werden. Dadurch erweitern sich die Möglichkeiten, die eigene Position zum Spielthema zu reflektieren.

„Jean Piaget has said: ´Knowledge is not a copy of reality. To know an object, to know an event, is not simply to look at it and make a mental copy, or image, of it. To know an object is to act on it. To know is to modify, to transform the object, and to understand the process of this transformation, and as a consequence to understand the way the object is constructed. An operation is thus the essence of knowledge, it is an internalized action which modifies the object of knowledge. Intelligence is born of action. Anything is only understood to the extent that it is reinvented.`“
Clark C. Abt (Abt 1987, S. 12)

Beispiele Serious Games

1. Path Out

In Path Out spielt der Nutzer einen syrischen Jugendlichen, der im Bürgerkrieg vor dem Militärdienst nach Europa flieht. Das interessante daran ist, dass Biografie eines echten Menschen nachgespielt wird. Dieser kommentiert auch immer wieder in kurzen Videosequenzen die Entscheidungen des Spielers. Das Spiel erschafft so einen hohen Realismus und eine umfassende Identifikation mit der Handlung.

Die Atmosphäre ist bedrückend. Falsche Entscheidungen können, wie in einer echten Flucht, schnelle zum Tod führen.

Das mehrstündige Spiel erklärt dabei die Hintergründe des Bürgerkriegs nur wenig. Die einzelnen Parteien werden nur schemenhaft charakterisiert. Es wäre die Aufgabe der Lehrkraft hier eine bessere Einordnung vorzunehmen.

2. Killbox

Benannt nach der Todeszone eines Raketeneinschlages thematisiert das Spiel einen Drohnenkrieg. Dabei gliedert es sich in zwei Phasen. In der ersten steuert man selbst die Drohne und eliminiert das namenlose Ziel. In der zweiten ist man ein kleiner, niedlicher Ball. Erst allmählich realisiert der Spieler, dass er das Drohnenopfer spielt – aber dann ist es zu spät.

Das ca. fünf-minutige Spiel fokussiert auf das emotionale Erleben. Es eröffnet, ohne viel zu erklären, einen Raum für anschließenden Diskussionen.

3. Fakeittomakeit.de

Im von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderten Spiel versucht die namenlose Spielfigur durch Fake-News Geld zu verdienen. Dafür muss eine Homepage aufgebaut, Artikel kopiert bzw. erstellt und über passende Verbreitungskanäle publiziert werden. Je höher Anzahl der Klicks sowie geteilten Beiträge umso höher sind die Einnahmen. Zusätzlich gibt es Punkte für das absolvieren von Aufgaben – meist das erzeugen bestimmter Reaktionen wie Wut oder Freude.

Zu dem Spiel gibt es ausformulierte Arbeitsblätter und Vorschläge zur Stundengestaltung. Je nach Ziel dauert es wohl weniger als eine Stunde um das Ziel zu erreichen.

Mir persönlich hat das Spiel sehr gefallen. Zu entscheiden, welche Gruppe den Artikel „Kanzler ist Sektenmitglied“ und welchen „Katzenfrau mit Mänteln aus geschlachteten Katzen“ bekommt, hat etwas.

Grenzen der Serious Games

Bei allen drei vorgestellten Spielen werden drei Grenzen dieser Unterrichtsmaterialien sichtbar.

Einerseits ist die Vorbereitung und die Durchführung seitintensiv. Die Lehrkraft muss sich ernsthaft mit der Materie beschäftigen, die Technik vorbereiten und die Schüler*innen in der Spielewelt begleiten. Deutlich mehr Aufwand als das lesen eines Textes aus dem Schullehrbuch.

Andererseits schaffen die Spiele zwar einen besseren Zugang zur Materie, das entbindet die Lehrkraft aber nicht von seiner Funktion. Es muss eine Einordnung erfolgen. Ur mit dem Spielen alleine ist es nicht getan. Die Programme können Impulse geben oder Emotionen wecken. Sie ersetzen aber nicht die „wissenschaftliche“ Beschäftigung mit der Materie.

Zuletzt steht natürlich die Frage nach der Chance auf Bewältigung der Aufgaben. Die technische Installation, das Einfuchsen in die Bedienung und das Agieren in der Spielewelt sind Herausforderungen. Nicht alle Schüler*innen könnten diesem gewachsen sein. Eine Binnendifferenzierung gestaltet sich schwierig. Die Lehrkraft muss dafür einen Plan B haben.

Aber wie im echten Leben kommt die Herausforderung ja erst durch die Möglichkeit des Scheiterns. Oft sind das sogar die besten Unterrichtsstunden.

Literaturverzeichnis

Abt, Clark C. (1987): Serious Games. Boston: University Press of America.

Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (Hg.) (2022): Serious Games. Spielerisch ernste Inhalte vermitteln. Berlin.

gameswirtschaft.de (Hg.) (2017): Assassin’s Creed Origins. Die Zukunft des Serious Games?.

Landesmedienzentrum Baden-Württemberg (Hg.) (2022): Computerspiele im Unterricht. Stuttgart.

Creative Commons Lizenzvertrag Weitere Informationen zum Urheberrecht unter Kontakt/Impressum/Lizenz.
Bei Interesse können die statistischen Daten für die Grafiken per Mail zugesandt werden.

ORCID iD icon https://orcid.org/0000-0002-3927-6245

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