Ursprung – Investmentstrategie von Goldmann Sachs
Jim O´Neill prägte das von den Anfangsbuchstaben der Mitglieder (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) abgeleitet Akronym. (O´Neill 2001) Als Leiter der Abteilung „Global Economic Research“ bei Goldman Sachs entwickelte er globale Investment-Strategien für Investoren. Sein Versprechen: Zielmärkte die sich dynamischer als die übrige Weltwirtschaft entwickeln. Unter seinem Einfluss entstanden mehrere Ländergruppen. Neben BRICS erfuhren MINT (Mexiko, Indonesien, Nigeria und die Türkei) und Next Eleven (Wilson und Stupnytska 2007) eine gewisse Bekanntheit.
Marketing für eigene Produkte
Bei den von O´Neill konstruierten Ländergruppen verwischten immer wieder die Grenzen zwischen Analyse und Marketinginstrument. Die Akquirierung von Anlagegelder war immer ein zentrales Ziel seiner Arbeiten. Nicht zufällig legt(e) Goldman Sachs diverse Spezialfonds auf, die sich an diesen Abkürzungen orientierten. Beispiel: Der Goldman Sachs N-11® Equity Portfolio-Fonds. Das Versprechen – „Der Fonds besitzt das Potenzial, höhere Renditen [als andere Finanzprodukte] zu generieren.“ (Goldman Sachs 2018)
Die meisten Anlageberater bezweifeln den realen Nutzen dieser Gruppierungen. Die ausgewählten Länder sind politisch, kulturell und volkswirtschaftlich zu heterogen sowie die Auswahlkriterien zu allgemein. Dazu kommt, dass allgemeines Wirtschaftswachstum nicht allen Marktsegmenten und Anlageklassen gleichermaßen zugute kommt. Die Abkürzungen mögen eine gewisse Orientierung geben, aber eine Analyse der Märkte und konkreten Projekte ersetzen sie nicht.
„Personally I have mixed feelings about the MINTs, and also think that any use of this idea as an investment theme ought to take into account just what’s happened to the BRICS in recent years. […] O’Neilll coins catchy phrases and the long-term ramifications of his ideas are illuminating and important. But for the ordinary investor trying to earn a good return, it’s well worth forgetting the acronym and instead looking at individual countries on their merits, because right now, they are varied.“
Chris Wrigth (2014)
Bis heute erhalten O´Neill, seit 2015 Baron Jim O’Neill of Gatley im House of Lords, und mit ihm Goldmann Sachs für die BRICS-Idee enorme Aufmerksamkeit (und Anlagekapital). Dieser „Marketingtrick“, ist wohl einer der besten des frühen 21. Jahrhunderts. Das von O´Neill geschaffene Narrativ war bzw. ist so gut, dass die genannten Länder es selbst für ein politisches Bündnis nutz(t)en. Sie gingen damit über alles hinaus, was O´Neill mit diesem Begriff erreichen wollte.
Volkswirtschaftlicher Hintergrund
Ausgangspunkt der Überlegungen von O´Neill war die Steuerungsfähigkeit der Weltwirtschaft. In den 1990er Jahren erschütterten mehrere Währungskrisen die globalen Wirtschaftsstrukturen. Insbesondere die Asienkrise sowie die Rubelkrise (Herr 2002) von 1997 bis 1999 zeigten, dass die westlichen Industriestaaten sich mit wirtschaftlichen Schocks konfrontiert sahen, auf die eine politisch koordinierte Antwort schwierig war. (O´Neill 2001, S. 10) Es fehlten gemeinsame Institutionen mit den volkswirtschaftlichen Ankermächten der betroffenen Regionen. Angesichts der schrumpfenden Bedeutung westlicher Industriestaaten, drohten zukünftige Krisen völlig außer Kontrolle zu geraten.
Um eine leistungsfähigere Krisenbekämpfungen zu ermöglichen, schlug O´Neill in seinem Papier eine Integration der BRICS-Staaten in die G7 vor. Diese wären dann zu einer G9 geworden. Die großen Volkswirtschaften der Eurozone – Deutschland, Frankreich und Italien sowie möglicherweise Großbritannien – sollten zu einem Sitz zusammengefasst werden. (O´Neill 2001, S. 10)
„It seems quite easy to conclude that the current G7 should be reformed to become possibly a G9, which would allow global policy making to be more effective. […] The case for the inclusion of China is overwhelming. The case for [Russia, India and Brazil] is less clear-cut, but in many of our scenarios for the future makeup of the world economy, the case for the inclusion of all three is at least as strong as Canada, and in some ways, as strong as Italy.“
Jim O´Neill (2001, S. 10)
Politischer Aufstieg nicht-westlicher Staaten
Eine eigene politische Organisation der BRICS, die unabhängig vom Westen agiert, wird im Papier von Jim O´Neills nicht einmal erwähnt. Er geht davon aus, dass die BRICS keine selbstständigen Akteure werden – schon gar nicht gemeinsam als Zusammenschluss.
Aber O´Neill formuliert eine zentrale Erkenntnis – damals wie heute. Wenn die BRICS weiter an volkswirtschaftlicher Größe gewinnen, werden globale Probleme ohne sie nicht mehr lösbar sein. Seine Erkenntnis kann und muss auf andere Politikfelder übertragen werden – sei es der Klimawandel, die weltweite (ungesteuerte) Migration oder internationale Herausforderungen der Sicherheit.
Im Nachhinein kann O´Neill als weitsichtig bezeichnet werden. Er zeigte einen Weg auf, durch Einbindung der neuen Mächte, den westlichen Einfluss zu erhalten. Gleichzeitig hätten globale Krisen gemeinsam gelöst werden können. Das wäre auch für die Investoren besser als anhaltende Wirtschaftskonflikte und nicht steuerbare Turbulenzen gewesen.
Aber die Ratschläge O´Neills wurden nicht beherzigt. Während Russland begrenzt und fragil eingebunden wurde, blieben die anderen Staaten außen vor. Die globale Wirtschaftskrise an 2007 nahm ihren Ursprung in den USA. Eine politisch koordinierte Antwort fand fast nur innerhalb der EU sowie den G7 statt. Der Globale Süden wurde nicht einbezogen. Ohne Chinas massive Investitionen gepaart mit umfassenden staatlichen Nachfrageprogrammen wäre eine ökonomische Stabilisierung unmöglich gewesen. Gedankt hat es der Westen China nicht. Enttäuscht fanden die Führungsstaaten des globalen Südens eine Alternative – eine eigene Organisation – den Marketingtrick „BRICS“. Die Gründung erfolgte am 16. Juni 2009. Fast zwei Jahre nach Beginn der weltweiten Finanzkrise.
Literaturverzeichnis
Goldman Sachs (Hg.) (2018): Goldman Sachs N-11® Equity Portfolio. Luxemburg.
Herr, Hansjörg (2002): Die Finanzkrise in Russland im Gefolge der Asienkrise. Bundeszentrale für politische Bildung. Boon (APuZ, 37-38 / 2002 Internationale Finanzpolitik).
O´Neill, Jim (2001): Building Better Global Economic BRICS. Hg. v. Goldman Sachs (Global Economics Paper, No. 66). Online verfügbar unter .
Wilson, Dominic; Stupnytska, Anna (2007): The N-11 – More Than an Acronym. Goldman Sachs (Global Economics Paper, No 153).
Wrigth, Chris (2014): After the BRICS are the MINTs, but can you make any money from them? Forbes.
Anton von Werner (1843 bis 1915) – Der 70. Geburtstag des Kommerzienrats
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