Wie trenne ich einen Teebeutel?

„Oh, das kann doch wohl nicht wahr sein! Die wissen heute mit 2 Jahren, was ein 11-Meter ist und welche Prozessor-Taktfrequenz ihr neues IPhone haben soll, aber nicht, dass das Grünglas nun wirklich nicht in den Altpapiercontainer gehört.“: machte sich Frau Lenzen aus dem dritten Stock Luft.

Ich muss schmunzeln. Meiner Meinung nach, waren es eher nicht Alexander und Marie, die Nachbarskinder von unten, die mal wieder dieses kreative Durcheinander in unseren Abfalltonnen produziert haben. Die beiden standen letztens lauthals diskutierend mit ihren Freunden vor der neuen Biotonne und gaben hitzige Wettversprechen ab, für denjenigen, der Recht hatte, ob die Kiwischale nun verkompostiert werden darf oder nicht und was mit dem Biomüll denn nun tatsächlich geschieht. Es gab wilde Theorien darüber, dass er ins All geschossen wird und den Mond fruchtbar machen würde oder ob die eigene Oma mal den Teebeutel von genau Maries Teesorte in ihrem Kompost wiedergefunden hatte und daher „alles ganz regional“ (O-Ton Marie) verwertet würde. Mir ging bei der Unterhaltung das Herz auf, aber ich musste auch grinsen. Man muss dazu sagen, dass Marie acht und Alexander sechs Jahre alt ist.

Das Thema ‚Recycling‘ ist mittlerweile ja sehr abgedroschen und keiner kann mehr etwas davon hören. Ich finde das schade, weil es im wahrsten Sinne des Wortes ein sehr fruchtbares Unterfangen sein kann. Ich finde es so schade, weil in Deutschland sehr gute Voraussetzungen für Recycling bereit stehen. Wir haben flächendeckend die Infrastruktur wie Recycling-Anlagen, Wertstoffhöfe, verschiedene Tonnen, meist direkt zum Haus dazugehörig und bei einem guten Vortrennen (aber nicht so wie der Teebeutel) können 85% unseres Mülls wiederverwertet werden.

Auch wenn es in so kuriosen Situationen münden kann wie z.B. einem vor unserer Papiermülltüte stehender Mitbewohner, der grübelnd, fast verzweifelt eine halb Plastik-/ halb Papiertüte zu trennen versucht. Zu dieser ökologisch wahnsinnigen Erfindung, dessen Sinn mir durchaus einleuchtet – soll schön naturbelassen aussehen (deshalb ist der Großteil der Tüte aus Papier), aber man soll natürlich trotzdem das tolle Produkt sehen können (Plastikfenster) – sei nur etwas Beruhigendes gesagt: die Recyclinganlagen können gut Papier von Plastik trennen, so dass man diese trotzdem noch unmögliche Erfindung ganz gut in den Papiermüll tun kann.

Noch abenteuerlicher ist wahrlich mit einem sehr leidenschaftlichen Öko-Verfechter einen Teebeutel wegzuschmeißen. Man nehme den Beutel → Kompost, dann den Faden → großer Problempunkt, oft wurde er verbrannt, allerdings eher der Freude wegen und dann den Metallhaken → ganz klar grüner Sack. Mein Tipp heute: alles in den Biomüll! Das Papier und der Faden vergehen auch und die Teereste sind wertvoller Dünger.

Natürlich sind Verbundstoffe (Wegwerf-Artikel, die aus mehr als einem Stoff zusammengesetzt sind) ein Problem: – Was mache ich mit einem alten zerschlissenen Aktenordner. Mmh, da müsste ich jetzt sogar selbst mal passen…

Für viele, viele ‚Problemfälle‘ (und ich tendiere dazu, dort alles hinzutragen, womit ich selbst nix anzufangen weiß) sind Wertstoffhöfe ein Segen. Ok, man sollte zu den Öffnungszeiten kommen, sonst sind die Jungs manchmal etwas ungnädig. Dort kann man sich mit gutem Gewissen von allem möglichen Elektromüll, Batterien, nicht-mehr-malenden Markern, Fahrradrahmen, Grünschnitt, Kleinmöbel, Bremsflüssigkeiten, Energiesparlampen, Thermometern, Wachsen, Altlacken, Akkumulatoren und, und, und trennen.

Ökologie Infografik

Bevor Sie etwas wegwerfen…

… fragen Sie sich immer: ‚Was wird daraus entstehen, wenn es verbrennt?‘ oder ‚Wofür könnte es „Futter“ sein?‘? Wofür könnte noch gut sein?

Auf Jersey habe ich mal drei Monate bei dem Durrell Wildlife Foundation Trust gearbeitet. Das ist ein Wildpark, den Gerald Durrell gegründet hat, um seltene Arten vor dem Aussterben zu schützen. Dort werden z.B. knuddelige Lemuren aufgezogen und faszinierende, bunte Minifrösche und farbenfrohe Papageien. Ich habe mit den Guys aus dem Maintenance Departement3 gearbeitet, was ein wenig kurios war, weil ich weder eine Tischler- noch Maler- noch sonst-wie-handwerkliche Ausbildung habe. Aber es war kaum ein anderer Platz frei. Ich habe philosophisch-moralische Unterstützung geleistet.

Zu unseren Aufgaben gehörte einmal, mehrere Räume eines Gebäudes auszuräumen. Stühle, alte Aktenordner, Regalbretter, natürlich viel Papier, alte Drucker und Kaffeetassen landeten zu meinem Entsetzen zusammen mit dem Grünschnitt auf einem großen Haufen und wurden angezündet. Es war genau dieser Moment, an dem ich beschloss, mich von den netten Touren mit meinen Guys loszusagen, um Recycling-Workshops auf dem Gelände vorzubereiten und einem Department nach dem anderen aufzuzwingen. Jeden Tag waberten die giftigen Rauchschwaden bleiern über das Gelände. Hier nur ein Beispiel eines lustigen, chemischen Elements, was bei Verbrennung entsteht: Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Wenn man diese einatmet, fällt man nicht automatisch tot um, aber sie sind langfristig krebs-erregend.

Soviel zum Thema: Was passiert, wenn ich meinen Restmüll verbrenne. Wobei wir natürlich Filteranlagen haben. Aber optimal ist die Verbrennung von Müll auf keinen Fall, weil in Prinzip fast jeder Müll als Rohstoff dienen kann.

Ich war mal auf einem sehr interessanten Vortrag, bei dem eine Dozentin sehr engagiert und begeistert davon sprach, dass ‚waste‘ (engl. = Müll) ‚food‘ (engl. = Essen) ist. Ich war fasziniert! Mit welcher atem-beraubenden Einfachheit ist damit Recycling erklärt. Und wertvoll gemacht!!

Ich habe immer wieder in verschiedenen Bereichen im Dienstleistungssektor (Cafés, Restaurants, u.Ä.) gearbeitet und dort wird für die allgemeine Einfachheit und wie es ja nun meistens im Dienstleistungssektor ist (auch in Bioläden!!) fast alles in einen Abfalleimer geworfen. Die PAPIER-Kaffee-becher der Kunden landen in demselben Müll wie die PAPIERtücher, mit denen alles abgewischt wird und dem Kaffeesatz und den Plastikverschlüssen der Milchbeutel.

Und alles kommt in den Restmüll. Wie schade!!

Ich weiß, dass es sehr schwierig ist an vielen, Brötchenstand oder einer Winzelküche in einem Touri-Restaurant eine Müll-Trenn- Infrastruktur einzurichten. Ich weiß, ich weiß, aber trotzdem! Und für alle, die dies lesen und es vielleicht zu Hause etablieren können. Oder doch dem Chef einen Hinweis geben können oder so ähnlich.

Also: Schon die einfachsten Gesetzmäßigkeiten reichen aus: Papier in den Papiermüll, Glas in die Glascontainer, Plastik und Metall in den gelben Sack. Wenn Sie das hinkriegen und Ihren Kindern beibringen, sind Sie rohstoff-technisch schon ein/e halbe/r Heilige/r. Dann der Frischluftzufuhr und der Bewegung wegen mal zum Wertstoffhof radeln und die alten Batterien und Stifte in gute Hände geben. Und wer hat und kann, alles Organische auf den Kompost oder in die Biotonne. Am besten gleich den eigenen Garten dazu besorgen und sich mit den engagierten Nachbarskindern fürs Frühjahr eigene Erdbeeren züchten. All das, weil – wie auf der Recycling-Seite für Deutschland selbst steht: „(…) Abfall quasi die bedeutendste Rohstoffquelle (ist), die uns zur Verfügung steht.“. Waste is food – ist das nicht eigentlich genial?!

Recycling Icon

Wussten Sie, dass…

• z.B. Kaffeesatz viele Nährstoffe enthält wie Kalium, Stickstoff und Phosphor und daher super Düngemittel ist? Und – noch viel wichtiger: Regenwürmer lieben Kaffeesatz, weil er die Erde auflockert und durchlässig macht. Der Einsatz der Regenwürmer verbessert die Erde dann noch zusätzlich. Mit Regenwürmern und Kaffee ist Ihre Erde im Garten unschlagbar. Und gibt’s nirgendwo zu kaufen.

• Und wussten Sie, dass in Smartphone Gold, Silber und seltene Erden ‚verbaut‘ sind? Da lohnt sich das Recyceln aufgrund der Seltenheit der Rohstoffe wirklich.

• sorgfältiges zu-Hause-Müll-trennen, die maschinellen Prozesse deutlich optimiert? Der Mythos ‚Es-wird-ja-eh-alles-zusammengeschmissen-und-dann-wieder-getrennt!‘ stimmt NICHT! Eine Freundin meiner Mitbewohnerin arbeitet in einer Recycling-Anlage und konnte mir berichten, dass ein wesentlich größerer Teil an zum Beispiel Plastik- oder Papiermüll wiederverwertet werden kann, wenn es schon ‚reiner‘ in der Anlage antrifft. Was auch logisch ist, weil viel ‚Gemischtes‘ die Vorgänge regelrecht verstopft. Meist gibt es nur zwei Personen, die für das von-Hand-Trennen zuständig sind und bei viel Durcheinander dauert es entsprechend lange und/oder es kommt hinten nicht soviel raus.

• Meistens nehmen Supermärkte auch Batterien an.

Die Gastautorin Christine Heybl schrieb diesen Artikel im Frühjahr 2018.


Bildrechte:
Mülltonnen: © Designed by Freepik
Ökologie-Infotafel: © Designed by Freepik
Recycling Icon mit Frauenhänden: © Designed by Freepik

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Text: Creative Commons Lizenzvertrag Weitere Informationen zum Urheberrecht unter Kontakt/Impressum/Lizenz

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